„Wir brauchen dauerhaft Sicherheit“

04.05.2022

Europadiskussion im Landratsamt und per Internet über Konsequenzen aus Ukraine-Krieg

einen Mann mit Uhr und Filmkamera, im Hintergrund ein Saal mit Publikum, Bühne und Leinwand

„Wir brauchen eine Sicherheitsarchitektur, die auf lange Sicht trägt“: Das ist das Fazit von Landrat Michael Cyriax nach einer Diskussion im Landratsamt über Konsequenzen aus dem Ukraine-Krieg. Aus Anlass des Europatages diskutierten der Europaabgeordnete Michael Gahler und Dr. Matthias Dembinski von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.

Zumindest das westliche Europa habe sich lange der Illusion hingegeben, die Zeit der klassischen zwischenstaatlichen Kriege auf dem Kontinent sei vorbei, so Cyriax. Der Krieg in der Ukraine habe diese Fehleinschätzung offengelegt: Mit den Toten in der Ukraine und mit den Flüchtlingen – aktuell mehr als 2000 von ihnen im Main-Taunus-Kreis – habe der Krieg auf dramatische Weise Gesicht gewonnen. Konsequenz aus dem Ukraine-Krieg müsse eine Sicherheitsarchitektur sein, die dauerhaft trage. Ohne die Koexistenz und Kooperation mit Russland, dem größten Land der Welt, sei das nicht zu machen – auch wenn eine solche Lösung zumindest unter einem Präsidenten Putin kaum noch vorstellbar sei.

Dembinski zufolge ist weder ein Volksaufstand in Russland zum Sturz der Regierung Putin noch ein Putsch der Eliten wahrscheinlich. Ziel müssten auf lange Sicht vertragliche Regelungen sein. Ein zentrales Zugeständnis wolle die Ukraine bereits mit dem Verzicht auf einen NATO-Beitritt machen, für die territorialen Streitpunkte wie die Halbinsel Krim könnten dann „mit Phantasie“ Kompromisslösungen gefunden werden, etwa völkerrechtliche Pachtverträge. Militärische und wirtschaftliche Zwangsmittel würden jedenfalls nicht reichen, Russland zur Aufgabe der besetzten Gebiete zu bewegen. Die EU müsse zur Sicherung von Frieden in Europa ein ergänzender Pfeiler zur NATO sein, die faktische Verantwortung für die Wehrfähigkeit bleibe aber nach wie vor bei den nationalen Regierungen.

Gahler bewertete den von Putin gestarteten Krieg als eine Strafaktion für die Ukraine, die sich Europa und seinen demokratischen Werten zugewandt habe. Er trauere dem Verlust der Sowjetunion nach und habe Angst vor innerem und äußerem Kontrollverlust. Europa müsse entschlossen an der Seite der Ukraine stehen, mit militärischen und wirtschaftlichen Mitteln, denn sie kämpfe auch für Europa und seine Werte. Sanktionen sollten erst wegfallen, wenn der letzte russische Soldat aus der Ukraine abgezogen sei – einschließlich der Ostukraine und der Krim.

Der Abend im Landratsamt war als Hybridveranstaltung organisiert worden. Gahler war aus Straßburg per Videokonferenz zugeschaltet. Teilnehmer konnten die Diskussion im Plenarsaal des Landratsamtes verfolgen, andere kamen über einen Livestream im Internet dazu. Insgesamt schalteten sich Kreisangaben zufolge mehr als 500 Interessierte zu.

Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule am Rosenberg (Hofheim), der Sophie-Scholl-Schule (Flörsheim) und der Eichendorffschule (Kelkheim) steuerten Videoclips bei, in denen sie sich in Bild, Text und Musik mit Krieg und Frieden auseinandersetzten. Cyriax zeigt sich von den Ergebnissen beeindruckt: „Sie haben das Thema kreativ umgesetzt und dabei gezeigt, dass Europa alle Generationen angeht. Sie sind diejenigen, die später in ihrem Leben beurteilen können, ob die Bemühungen um Frieden in Europa dauerhaft Erfolg hatten.“

Die vollständige Diskussion ist auf unserem Facebook-Auftritt und unserem YouTube-Kanal zu finden.

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