Rauminstallation "A wie Ei wie Z" von Wol Müller

eine Stoffskulptur an der Wand.
Rauminstallation von Wol Müller

Der Innenraum erscheint gegenüber dem Außenraum geometrisch bestimmter. Atmosphärische Schwingungen, Witterungsverhältnisse und die Unbegrenztheit zum Himmel fallen weg. Räumliche Dimension wird konzentrierter erfahrbar. Gegeben ist ein Hohlraum, das Innere eines Quaders. Hier liegen Ansatz und Aufgabe.

Die künstlerische Gestaltung ergreift die Architekturelemente, Wände, Fensterfront, Decke und nimmt im wechselnden Bezug die Auseinandersetzung mit ihnen auf: sie betont, hebt hervor, verfremdet, lenkt ab, bildet Rhythmus, setzt Gegenrichtungen und Materialkontraste; ihre Hauptträger: die Primärfarben rot, gelb, blau, die Nichtfarben weiß und schwarz, die für Licht und Schatten stehen, handgeschöpfte Papierstücke, die geometrische und die organische Form, Kunst- und Naturmaterial und das Ordnungselement der Dreiteilung.
 
Im Grundakkord Rot-Gelb setzt die Komposition an: eine rote geometrische A-Form steht in Spannung zu einem Gelb-Feld mit frei eingeschriebenen Zeichen, die zugleich an Runen und Hieroglyphen erinnern. Blau tritt in schmalem Streifen hinzu, den ruhenden Kontrapunkt bilden breite Dispersionsfelder in Braun. Aus dieser geometrischen Flächenordnung setzt sich eine gereihte Gruppe handgeschöpfter Papierstücke in Bewegung nach rechts aus dem Bild heraus und geht über in die Papierelemente einer vertikalen Schnurpartie.

Das Papier tritt in Verbindung mit seinem Grundstoff Baumwolle. Dieser lose Bereich der Naturmaterialien bezieht die Wirkung der glatten weißen Wand in seine Zwischenfelder ein. Von hier aus greift die Komposition in einer unterbrochenen blau-roten Schnurlinie auf die Decke über. Stets von neuem schließt das Auge die unterbrochene Linie, führt sie fort zum Eingang und zum Kontrapunkt der gegenüberliegenden Wand. Der Wahrnehmungsvorgang des Betrachters stellt selber Bezüge her, bildet mit, wird Bestandteil in der Erschließung des Raums.

An dieses Aufbrechen der Gestaltung zur Decke hin fügt sich als drittes Element der Stirnwand abermals ein Tafelbild. Die Papierstücke setzen ihren Weg im leichten Bogen nach oben fort, und die verwandten Materialien Baumwolle – Papier gehen über in den textilen Gebrauchsgegenstand Strumpf – münden in die menschliche Verwendung von Grundstoffen. Kontrapunktisch zur geometrischen A-Form des Anfangs erscheint ein in freier Linie geführtes Oval-Zeichen. Es löst gemeinsam mit kurzen Blaubögen und Rotstrichen die Formen zum Organischen hin. Zu den Elementen Farbe, Papier, Textilien tritt in dieser Tafel der Sand mit feien figürlichen Ritzungen. Erdgebundenheit und von den Anfängen der Menschheit überlieferte Urzeichen werden beschworen.

Unter der Bildordnung tritt collagenartig Alltägliches hervor, Zeitungsausschnitte, Fotomontagen, Werbung für Produkte. Aus diesem komplexen Bezugssystem setzt sich ein Gestaltungselement frei zur Fensterfront hin: handgeschöpfte Papierstücke, variierend in den Primärfarben, bilden einen visuellen Rhythmus zur Durchlässigkeit der Fenster. Dabei wandelt sich die Wertigkeit der Farben vom warmen Ton des Rot zum kalten des Blau. Und Blau ist dann auch die Dominante des anschließenden Bildelements der Eingangswand. Diese Tafel mit ihrer schrägen Seitenkante und dem im Winkel entgegengesetzten Papierstreifen (wieder an die A-Form erinnernd) vereint noch einmal alle Materialien und Formvarianten der übrigen Raumelemente. Noch betonter als bisher treten unter frei gesetzten Farbzeichen und Strichführungen die vertrauten Gegenstände unseres Gebrauchs und Alltags hervor: die Coca-Cola-Dose, die Flasche Duschbad, diesmal überdimensional und auf schwarz-weißem Filmmaterial.
  
Nach rechts schließt sich eine Weißzone an. Sie birgt Zerbrechliches: das dichterische Wort, Verse über Liebe, auf den Kopf stehend, nur teilweise entzifferbar, und daneben – das Stück eines Papiers mit dem Wort KUNST. Liebe und Kunst von Menschheitsgeschichte befrachtet, abgegriffen durch die Jahrhunderte, hier vorsichtige Nennungen, verfremdet und neu in der Weißzone.
 
Der Künstler erschließt mit den Mitteln seiner Gestaltung den Raum. Gleichzeitig erzählt er einen universellen Zusammenhang. Mit den Grundelementen der Malerei, mit Naturmaterialien und heutigen Kunststoffen entwickelt er einen Zyklus von den Zeichen der Urzeit bis zu denen der Gegenwart. Orientierungspunkte bilden das A als Symbol für Anfang und die Oval-Form als Hinweis auf Urzelle und unendlichen Kreislauf. Das Z des Titels kommt nicht in der Komposition vor. Es ist nur gedachtes Zeichen für das menschliche Bewusstsein von Ende und Abschluss. Das Werk selbst bleibt offen auf den Kreislauf hin.
 
Die Rauminstallation befindet sich im 2. Stock des Landratsamtes.