Bildrelief von Jürgen Wegner

eine blaue Tafel mit darauf gesetzten Mustern.
Bildrelief von Jürgen Wegner

Ausgehend vom Grundriss des einst am Ort des Landratsamts gelegenen römischen Steinkastells entwickelt sich das Relief in achsialem Aufbau mit der Kompositionseinheit des Rechtecks in ein vielfältiges Bezugssystem. Aus dem dunklen Blau des Grundes treten Horizontalfelder hervor, deren Binnenunterteilungen die Farben rot, grün, schwarz, gold variieren. Mit dieser Farbwahl zitiert der Künstler frühe Zeugnisse aus dem italienischen Kunstraum mit in den Bildzusammenhang: Farbfolgen etruskischer Wandmalereien und frühchristlicher Mosaiken.

Die „alten Farben“ als Ausdruckswerte einer lang vergangenen Kultur scheinen in ihrer Leuchtkraft aufzutauchen aus dem blauschwarzen, formlosen Grund, dem der Künstler die Bedeutung von Vergänglichkeit zumisst. Aus dieser Zone tritt einmal gewesenes Leben in der Idee des römischen Grundrisses hervor. Bedingungen und Ordnungen früherer Epochen werden freigelegt. Diesem Vorgang entspricht Struktur und Technik der Arbeit. Keine illusionistische Flächenzeichnung ist gegeben, sondern verschiedene Materialien wie Putz, Kunststoff, Farbe sind in Schichten übereinander gespachtelt. Mit Erhebungen im Flachrelief und geritzten Kerben wird so eine Oberflächenstruktur erreicht, die Assoziationen an die schichtweise Freilegung archäologischer Grabungen weckt.
 
Das Kastell, in der Ordnung seiner Teile aus dem Blau heraufbeschworen, gewinnt zunehmend Schärfe und Kontur zur Mitte des Reliefs hin. Die länglichen Felder gehen in Quadratformen über, und das bedeutet im gehaltlichen Bezug auf den Grundriss: zur Mitte der Anlage hin zentrieren sich die wichtigsten Bauten des Römerkastells wie Stabsgebäude, Wasserreservoir, Lagerheiligtum und Wohnung des Kommandanten. Diese verbreiterten Felder heben sich durch Glanz und Leuchtkraft verstärkt hervor: ihr dominierender Farbwert ist Gold. Und gerade hier im Zentrum des Reliefs, an der einzigen Durchbrechung und Überschneidung des strengen Achsialaufbaus, verselbstständigen sich die Bildelemente aus ihrem gehaltlichen Bezug.

Das Zentrum der Komposition ist mit dem reinen Formelement des Kreises bezeichnet. Von hier aus tritt das Thema Grundriss in den Hintergrund und die Bildelemente nehmen ihren wechselnden Bezug auf: Kreis zu Rechteck, hell zu dunkel, Farbwert zu Farbwert, vertikal zu horizontal, glänzend zu matt, Wölbung zu Kerbe. Der kleine rote Kreis des Zentrums in seiner hellen Goldzone setzt die Wahrnehmung in Bewegung und erhält seinen ständigen Kontrapost durch den scharfen roten Winkel, der einzigen diagonalen Setzung des Reliefs.

In dichtester Verschmelzung und zugleich loser Ambivalenz erscheinen Gehalt und bildnerische Komposition des Bildwerkes. Zum einen ruft es Früheres hervor, zitiert die römische Vergangenheit des Ortes in die Gegenwart des Kreishauses, zum anderen verselbstständigt es sich auf die inhaltsfreie Ebene seiner bildnerischen Bedingungen als Komposition aus Farb- und Formelementen. Zwischen beiden Bereichen schillert seine Aussage, getragen von der dominierenden, beinahe mystisch zu nennenden Farbgebung. Es trifft hier eine Äußerung Paul Gauguins über die Suggestivkraft der reinen Farbe zu: „Bevor man überhaupt weiß, was das Bild darstellt, ist man doch sofort ergriffen von dem magischen Akkord seiner Farben.“